Unternehmen sehen sich teilweise immer noch großen Ablagen in Papierform, digital oder selten auf Mikrofilm gegenüber. Im laufenden Tagesgeschäft entstehen aus dem Betrieb von ERP-Systemen, Kollaborationsplattformen wie MS Teams, SharePoint, Email oder Netzlaufwerken große unstrukturierte Datenhalden, die schlussendlich archiviert oder entsorgt werden müssen.
RAHMENBEDINGUNGEN
Welche Rahmenbedingungen gilt es nun bei einem geplanten Digitalisierungs- / Archivierungsprojekt zu beachten?
Nicht alle Dokumentationsbestände haben den gleichen Nutzen und sind es wert, langfristig aufbewahrt zu werden. Alle Dokumentationsbestände müssen nach den folgenden Kriterien bewertet und klassifiziert werden. Neben den Lagerkosten ist auch das Verlustrisiko durch Wasser / Feuer / (digitalen) Diebstahl zu berücksichtigen.
1. Menge der Dokumente / Zugriffshäufigkeit / Nutzeranzahl
2. Form / Format der Dokumente
3. Rechtliche / regulatorische Bestimmungen
4. Technische Umsetzung / Outsourcing
5. Berechtigungen / Suche im Archiv
1.) Menge der vorliegenden Dokumente/ Zugriffshäufigkeit auf das Archiv/ Nutzeranzahl
Wann zahlt sich eine Digitalisierung aus? Wenn es nur eine geringe Zugriffshäufigkeit von wenigen Nutzern gibt und das Archiv dem Stand der Technik gegen Verlust durch Feuer/ Wasser/ Diebstahl entspricht, wird man eher nicht digitalisieren. Soll aber ein Prozesshemmnis beseitigt, Wissen erschlossen oder eine große Nutzeranzahl bei häufigen Zugriffen versorgt werden, so spricht das für eine mit (meist moderaten) Kosten verbundene
Digitalisierung. Alte oder obsolete Dokumente müssen vorab entsorgt werden. Der Wert vieler Dokumentationsbestände nimmt mit exponentiell mit der Zeit ab.
ad 2.) Form / Format der Dokumente
Liegen die Dokumente in Papier, Mikrofilm oder vielleicht Buchform vor? Die Digitalisierung von Papierdokumenten bis zum Format A3 ist ohne Probleme mit handelsüblichen Produktionsscannern möglich. Mikrofilmdigitalisierungen oder Bücher erfordern Scanner die durchaus 50.000-100.000 EUR kosten können und eine speziell geschulte Bedienung erfordern. Abhängig von der Komplexität und Menge der Dokumente kann ausgelagert oder mit eigenen Mitarbeitern und Ausrüstung gearbeitet werden. Sind Dokumentationsbestände schon in digitaler Form vorhanden, so müssen diese nach einer Bewertung in die entsprechenden Langzeitspeicherformate (zB PDF/A) übergeführt und ein Zugriff über langfristig stabile und verfügbare IT-Systeme gewährleistet werden.
ad 3.) Rechtliche / regulatorische Bestimmungen
Die wichtigsten rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen betreffen die Aufbewahrungsfristen. Manche Dokumente müssen auf ihre gesamte Gültigkeitsdauer plus Verjährungsfristen als Beweismittel vor Gericht im Original vorgelegt werden. Die Satzung einer Gesellschaft muss mit allen Veränderungen auf deren Bestandsdauer aufbewahrt werden. Sie können zwar digitalisiert, aber nicht entsorgt werden. Für Dokumente gilt meist eine Aufbewahrungsfrist von sieben bis maximal 30 Jahren (lange Verjährungsfrist). Dazu kommt noch die Gültigkeitsdauer von Verträgen. D.h. eine 30-jährige Lebensversicherung, die in eine streitige Verlassenschaft eingeantwortet wird, muss 60 Jahre authentifiziert und revisionssicher aufbewahrt werden. Relevante Bestimmungen für Österreich finden sich im ABGB, UGB, BAO, AVG, GrEStG, StGB, GmbHG und AktG uvm. Bei Aufbewahrungsfristen ist immer genau auf die anwendbare Jurisdiktion abzustellen, es gibt hier keine (europaweit) einheitlich gültigen Regeln. Sind mehrere Jurisdiktionen betroffen, so ergeben sich manchmal schwer auflösbare Zielkonflikte zwischen vorgeschriebener Löschung oder Aufbewahrungspflichten.
ad 4.) Technische Umsetzung / Outsourcing
Wie schon in Pkt 2. beschrieben, ist nicht nur die Form der Dokumente, sondern auch die Wahl eines langfristig lesbaren Datenformats von Bedeutung. Als normkonformes Speicherformat setzt sich hier immer mehr PDF/A (A steht für Archiv) durch. PDF/A wurde als Norm in der ISO19005 als digitales Langzeitdatenarchivformat basierend auf Adobe PDF festgelegt. Zu berücksichtigen ist auch die Überführung der digitalisierten Daten in schon vorhandene Enterprise Content Management Systeme oder Workflows, um Zugriff und Suche zu ermöglichen. Falls das notwendige Know-how und die Infrastruktur nicht aufgebaut werden kann, kann das Projekt auch an externe Dienstleister ausgelagert werden. Viele österreichische Banken und Versicherungen bedienen sich großer internationaler Dienstleister mit speziell gesicherten Archiven und elektronischen Dokumentenmanagement-Systemen. Bei einer Digitalisierung von analogen Beständen oder einer Überführung vorhandener digitaler Bestände in ein Langzeit-Archiv ist auf eine präzise Metadatenbeschreibung zu achten!
ad 5.) Berechtigungen/ Suche im Archiv
Für den Zugriff auf die digitalisierten Daten sind Berechtigungen einzurichten, damit nicht sensitive Daten gesucht und gelesen werden. Eine Suchlösung muss diese Berechtigungen bei der Anzeige von Resultaten berücksichtigen.
Hat man sich für eine Digitalisierung entschieden, dann sollte diese unbedingt mit Texterkennung erfolgen. Der Zusatzaufwand im Vergleich zum Erfassungsvorgang (Scannen) ist gering. Allerdings ist bei hohen Datenvolumina eine entsprechend leistungsfähige HW/SW Kombination notwendig, um Kapazitätsengpässe in der Verarbeitung zu vermeiden. Ein im Volltext durchsuchbares digitales Archiv ist ein sehr mächtiges Instrument zur Unterstützung von Arbeitsabläufen und eine wertvolle Quelle für in der Organisation geschaffenes Wissen.
Abschliessende Betrachtungen
Falls die Erschließung von Wissen aus Archiven notwendig ist, sind spezifische Strategien anzuwenden.
Ein bestehendes Papier- F&E Archiv kann zum Beispiel durch pensionierte Mitarbeiter aufgearbeitet werden. Diese Mitarbeiter nehmen eine qualitative Bewertung der Dokumentation vor. Wichtige und immer noch gültige Erkenntnisse werden zusammenfasst und die Ergebnisse in einer verdichteten Präsentation an bestehende Mitarbeiter weitergegeben. Eine Digitalisierung allein bringt hier nichts, die Information muss in Kontext gesetzt und auf ihren Nutzen hin bewertet werden.
Mag. Markus Lenotti
Geschäftsführer
Lenotti Advisors GmbH
Neueste Kommentare